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Das Amulett der Hoffnung

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Laxinea
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Das Amulett der Hoffnung

Beitrag von Laxinea »

Tamar, im Winter des Jahres 641

Soeben hat sie die Zukunft des Reiches besprochen. Neue Baupläne wurden ins Auge gefasst, ein tiefer Graben von den Moorgebieten bis hin zum Großen See soll gezogen werden, in dem die Wasser der unterirdischen Gebirgsquellen erquickend fließen werden. Nun sitzt sie vor dem Kamin, der den Raum erwärmt, blickt in die Feuerzungen und fühlt die angenehme Kühle des Amuletts auf ihrer Haut.
"Herz aus rotem Gold" flüstert sie und streicht sanft mit den Fingerspitzen über das edle und Jahrhunderte alte Metall. Generationen hindurch hat es seinen Träger vor dem Tode bewahrt. Nun fühlt sie, dass sie es weitergeben muss. Der unbezwingbare Wunsch es dem Gepeinigten und doch so Starken zu überlassen erfasst sie.
"Es muss ein Schwan eingraviert werden" teilt sie wenig später ihrer Zofe mit, die sich mit allerlei Kräutern, Mixturen und geheimen Wissen auskennt. "Er wird die Kraft des Amuletts noch verstärken, wenn dies überhaupt noch möglich ist."
Noch in der Nacht setzt sich die Zofe beim flackernden Feuer hin und beginnt unter singendem Murmeln mit der kunstvollen Arbeit. Sieben weihevolle Abende und Morgenröten arbeitet sie. Dann ist das Werk vollendet. In neuer Kraft und mit neuem Glanz erstrahlt das Amulett.
"Es wird Zeit. Ich sende es sofort mit einem Boten. Mögen die Götter alles zum Guten wenden."


Tamar, im Frühling des Jahres 642


Vorsichtig streicht sie über die Brosche. Tränen rinnen über ihre Wangen. Das silberne Metall glänzt. Die Verzierung aus Gold blitzt in der erstarkenden Frühlingssonne. Mit rascher Geste wischt sie die Tränen fort und versucht die Buchstaben zu lesen: Tri is ma san sira di la
Eine ihr unbekannte Sprache. Doch so vieles ist ihr unbekannt. Nie zuvor hat sie von einer Schwarzen Königin gehört. Nie zuvor von einem Schwarzen Kristall. Nie zuvor hat sie solch Elend erlebt - grausamer als Menschen je sein könnten.


Tamar, im Sommer des Jahres 642

Alte Reiche gehen, neue Reiche kommen.
Noch immer weint sie um ihn. Wird er getötet werden? Ist er nicht in Wahrheit schon gestorben und nur noch eine Hülle dort - der Geist aber verbannt im Reiche dieser grausamen Schwarzen Königin? Wie mag ein Mensch aussehen, der so viel erlebt hat? Mehr als ein normaler Sterblicher je tragen könnte...
"Tri is ma san sira di la" flüstert sie und drückt einen Kuss auf die Brosche, als ob sie damit ihm näher sein könnte, ihm Leben einhauchen.
"Mische mir ein Elixier wie du es für meinen Vater stets getan hast. Wenn es fertig ist, wird ein Bote es zu ihm bringen - oder ich selbst"
Es vergehen Tag und Nacht, Tag und Nacht bis zum nächsten Neumond. Am Morgen darauf macht sich die Zofe auf den Weg und sucht die Kräuter. Einige Frauen aus dem Dorf nimmt sie mit auf die Suche. Sie müssen sich beeilen. Bevor die Mittagsstunde erreicht ist müssen alle Kräuter gefunden sein - oder sie müssen den nächsten Sonnenaufgang nach Neumond abwarten. Sonst kann das Elixier nicht wirken. Minuten verrinnen, Stunden verrinnen und dann - wenige Minuten vor der Mittagshitze ist das letzte Kraut entdeckt. Die Zofe atmet befreit auf und macht sich an die Arbeit der langwierigen Zubereitung.
Jeden Morgen sitzt sie in ihrer Kammer und arbeitet konzentriert. Sobald die Mittagsstunde kommt muss sie ihre Arbeit beenden. Zwei lange Wochen dauert die Prozedur. Dann ist das Elixier bereit.
"Wir werden selbst reisen. Du kannst es noch stärken mit weiteren Sprüchen. Wenn das Amulett und dieses Elixier nicht helfen, dann ist die Schwarze Macht stärker als alles menschliche. Dann werden wir Abschied nehmen von ihm."

Sechs kräftige Bauern begleiten die zwei Frauen auf ihrem langen Weg. Sie reisen zu Fuss, auf Pferdekarren, Ochsenfuhrwerken und manchmal sogar mit kleinen Booten. Niemand weiss um die Kostbarkeit, die der kleine Trupp mit sich führt. In Airon machen sie ein erstes Mal Halt und beratschlagen sich über den weiteren Reiseverlauf. Sie möchte, dass die Zofe heimkehrt und dort nach dem Rechten sieht. Aber die Nachricht, dass sie schon ein Drittel des Wegs hinter sich gebracht haben, lässt die Herzen höher schlagen. Die bedrückte Stimmung weicht allmählich und macht einer größer werdenden Hoffnung Platz.

In Endlome wartet ein Kundschafter. Ihr Herz schlägt schneller. Bald ist es so weit. Bald wird sie ihn sehen. Wird es zu spät sein?
Laxinea
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Beitrag von Laxinea »

Tamar, im Herbst des Jahres 642

Sie kennt die Schrecken des Krieges. Ist sie doch inmitten von Schlachten gross geworden. In einer Welt der Zerstörung, des Neides und Hasses. Auch ihre Zofe kennt kein Leben in Frieden und Ruhe. Sie hat in langen Jahren als Kinderfrau und später Zofe so manche Mixtur zu mischen gelernt, so manchen Spruch von den Weisen erlernt um den Herrscher zu schützen und zu heilen. Jetzt ganz im Dienste der jungen Herrin widmet sie all ihre Kraft ihren Wünschen.
Jeden Tag murmelt sie geweihte Sprüche von Sonnenaufgang bis zur Mittagsstunde um das Elixier zu stärken. Es raubt ihr viel Kraft und in ihren bislang dichten braunen Strähnen mischen sich nun immer mehr graue Haare. Kaum nimmt sie Essen und Trinken zu sich so sehr verausgabt sie ihre Aufgabe. Aber jeder Tag scheint nur neue Schrecken zu zeigen. Überall sieht sie deutliche Spuren von einer bösen dunklen Macht, wie sie es nie zuvor erlebt hat.
"Tri is ma san sira di la" flüstert die junge Frau immer wieder vor sich hin. "Wie könnte ich nur? Noch lange ist die Gefahr nicht vorbei." Verstohlen wischt sie eine Träne fort, die ihre Wange hinabgleiten will.

Endlich trifft die Reisegruppe auf Soldaten und Kundschafter mit dem Banner des befreiten Reiches. Beiden Frauen ist die Erleichterung und vielleicht auch Freude anzusehen. Nun kann es nicht mehr weit sein. In wenigen Tagen werden sie wohl - im Zentrum des Schreckens sein?
"Mein Name ist Laxinea. Ich komme um Euren Yarl zu besuchen. Meine Zofe Minaxea ist meine treue Begleiterin" Leicht zittert ihre Stimme als sie sich vorstellt und den stolzen Soldaten entgegentritt.
Wie weit mag es tatsächlich sein? Vielleicht steht sie noch heute vor ihm? Wird sie die Kraft haben ihn anzublicken? Auch sie spürt wie ihre Zofe die dunkle Magie, die noch immer über dem Land lastet und wohl nur von wenigen erahnt werden kann. Fast schon meint sie den bitteren Geruch wahrnehmen zu können, der eine deutliche Spur hinterlassen hat. Eine Spur - wohin?
"Yarl Athaulf erwartet Euch bereits.Wir werden Euch nach Tompara geleiten"
Sie nickt und blickt ihren Reisetrupp aufmunternd an. Die einfachen Bauern sind etwas eingeschüchtert angesichts der Soldaten. Sie ahnen nichts von der dunklen Bedrohung, die noch unsichtbar mit ihren Krallen wacht über ... Tompara?
Laxinea
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Beitrag von Laxinea »

Tamar, im Winter des Jahres 642

Die Wandlung von Herbst zu Winter vollzieht sich fast unmerklich. Die Soldaten geleiten sie und ihre kleine Reisegruppe sicher bis zu ihrem Ziel. Diese letzte Etappe erscheint ihr fast schon unwirklich so schnell geht es nun. So sicher fühlt sie sich. Auch ihre Zofe spürt neue Kraft in sich fliessen und nimmt wieder teil an Gesprächen und Essen. Jetzt kann sie keine Sprüche mehr wirken - die Macht des Winters versagt ihr dieses. Merkbar löst sich die Anspannung der letzten Wochen.

Heimkehr. Dieses Wort durchströmt sie spontan als sie am Ziel angelangen. Nun ist er so nah - und doch noch so fern. Wie mag es ihm gehen in diesen ersten Wintertagen? Eine Woche vielleicht auch zwei will sie bei ihm bleiben wenn sie darf. Dann muss sie die Heimkehr antreten um die Aussaat zu überwachen und auch dabei mitzuhelfen. Noch wird in dem kleinen Dorf jede Hand gebraucht. Aber bald, wenn erst das Handelsregister erbaut ist und Verträge eintreffen werden auch die Menschen herbeiströmen.

Mit den Fingern streicht sie über die Brosche und versucht zu lächeln "Ja ich will wirklich versuchen immer glücklich zu sein" Dann wendet sie sich ihrer Zofe zu und atmet tief ein "Komm, wir haben eine Aufgabe vor uns."
Laxinea
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Beitrag von Laxinea »

Tompara, im Winter des Jahres 642

Geduldig bürstet die Zofe das Haar, Locke um Locke. Lang wallt die goldene Pracht herab fast bis zum Boden. Liebevoll streicht sie ihrer Herrin über das Haupt, ein mütterlicher Ausdruck in ihren Augen. Mit geschickten Händen löst sie kleine Verknotungen bis die goldene Flut im Schein des Kaminfeuers herrlich glänzt. Dann reibt sie es mit einem duftenden Öl ein und bindet es in schweren Flechten zusammen. Wie eine gleissende Krone schmückt das Haar den edlen Kopf der jungen Frau. Ihre ebenmässigen Züge blicken entspannt und voller Ruhe tief in einer Meditation versunken. Mit sanften Bewegungen reibt die Zofe ihrer Herrin die Wangen ein, dann den sanft getönten Hals und die etwas blasseren Schultern die nie der prallen Sonne ausgesetzt wurden.
Voller Wehmut erinnert sich die alte Frau an die einstige Heimat als sie jeden Tag in solch schönen Räumen gelebt hatten vielleicht sogar noch schöner und grösser. Doch lang ist es her - allmählich verblasst die Erinnerung an die Vergangenheit. Immer stärker wird das Wissen um die Gegenwart. Die Bedrohung in diesem Haus. Nie zuvor hat sie erlebt wie das Böse einen Schlupfwinkel in eine ihrer Heimstätten finden konnte. Doch hier lauert es - die dunkle Magie gebannt in schwarzen Kristallen.

Beinahe zärtlich reibt sie die Arme, den flachen Bauch und die Beine ihrer Herrin mit dem wohlduftenden Öl ein. Wenigstens will sie alles versuchen dass ihre viel zu junge und oft allzu impulsive Herrin nicht in Berührung kommt mit dem Bösen. Kann denn die Meditation und das geweihte Öl ihrer Herrin wirklich helfen bei dieser dunklen Bedrohung? Was wird geschehen wenn ihre wochenlang besungene Mixtur trotz der Heilwirkung des Herzamuletts nicht die gewünschte Wirkung erzielt? Bisher sind mit diesem Elexier nur Wunden des Gemüts und des Körpers geheilt worden gab es doch nie eine solch aussergewöhnliche schwarze Magie wie diese schwarzen Kristalle. Die Zofe fürchtet sich ein wenig vor den Soldaten und dem Rat. Würden sie weiterhin freundlich sein wenn der Yarl keine Hilfe durch ihre Herrin finden konnte sondern doch getötet werden musste? Oder würde der Schmerz um den Verlust des geliebten Anführers ihre Sinne verdunkeln und eine Bestrafung von ihr und ihrer Herrin fordern?

Ein leises Seufzen unterbricht sie in ihren immer düster werdenden Gedanken.

"Es ist so weit. Ich habe genug geruht. Gib mir meine Kleider und das Elexier" Ihre grünen Augen leuchten wie eine morgenfrische Wiese. "Ich hoffe das er wenigstens einen Schluck nimmt von dem Elexier. Was dann geschieht - wissen nur die Götter"
Rasch schlüpft sie mit Hilfe ihrer Zofe in die langen Gewänder, lässt geduldig die Bänder in ihrem Rücken verknoten bis alles gut sitzt und den Körper sanft umhüllt. Nur ihr Schuhwerk zieht sie nicht an damit die Energie der schwarzen Kristalle sich in den Boden ableitet - falls sie mit ihr in Berührung kommt. So wendet sie sich aufrecht und lächelnd der Tür zu. Was jetzt kommen wird liegt nicht mehr in ihrer Macht. Ab nun sprechen andere höhere Mächte miteinander. Sie selbst ist nur noch Botin der weissen Magie mit der Hoffnung dass das Amulett bisher seine heilbringende Wirkung gezeigt hat.

"Mögen die Götter Euch schützen, my Lady" flüstert die Zofe und blickt besorgt ihrer Herrin nach.
Laxinea
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Beitrag von Laxinea »

des Yarls Unterkunft, im Winter des Jahres 642

Ruhig folgt sie den Magiern des Reiches, dem Hohen Rat von Korsan und... sie weiss nicht mehr wer noch alles sie geleitet. Einzig die weissen Knöchel der Hand, die das Elixier trägt, deuten auf ihre innere Anspannung hin. Leicht schleift ihr langes schilfgrünes Gewand über den Boden. Der goldene Schwan der mit ausgebreiteten Flügeln den Rock umspannt scheint fortfliegen zu wollen. Geht es ihr nicht ebenso?
Sie kann den modrigen Geruch der schwarzen Magie riechen. Vielleicht würde sie sogar den Weg zum Yarl alleine finden wenn sie diesem Geruch nur folgen würde. Seit ihrer Jugendreife hat sie diese Gabe. Magie zu "erriechen".
Sie versucht all ihre Gedanken auf ihn zu konzentrieren. Jetzt zählt nichts mehr. Wenn sie nicht achtgibt so könnte es nicht nur für den Herrscher tödlich sein. Ob die Magier ebenso angespannt sind wie sie?

Die Tür wird geöffnet und sie betritt den Raum. Eine Woge der Übelkeit erfasst sie bei dem schrecklichen Geruch. Intuitiv weicht sie einen Schritt zurück und spürt kaum dass sie jemanden hinter sich anstösst. Ihr Gesicht wird leichenblass und sie presst rasch die linke Hand vor ihren Mund. Bei allen Göttern, es sollen doch nur noch wenige schwarze Kristalle in ihm sein. Wieviel Macht mag nur in ihnen stecken wenn sie solch einen intensiven Geruch verströmen können?
Sie bemerkt nicht die besorgten Blicke, achtet auf nichts mehr sondern geht langsam auf den Yarl zu.

"So sehe ich Euch nun zum ersten Mal, werter Yarl Athaulf" Nein so hat sie ihn sich nicht vorgestellt. Seine Schriften hatten voller Dynamik geklungen, Kraft und Leben. Doch hier lag ein fast schon gebrochener Greis, fast weisses Haar, graue ungesunde Haut, ausgemergelt vom langen Kampf. Ihre grünen Augen verdunkeln sich vor Schmerz um ihn. Tief atmet sie ein um noch einmal Kraft zu sammeln. Warten nicht alle nur auf sie? Je länger sie ihn anschaut, fast schon unhöflich anstarrt desto weiter zögert sie nur das unvermeidliche hinaus. Unvermittelt huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Fast unmerklich hat sie es gerochen doch nicht in ihr Bewusstsein aufgenommen. Ein lieblicher Geruch liegt über seinem Körper, der im Streit mit den bösen Ausdünstungen steht. Er kann es schaffen denn so viele helfen ihm bereits.

"Ihr Götter, ich vertraue darauf dass es wohl gelingt. Ich bin bereit" Sie lächelt und streicht ein letztes Mal mit den Fingern über die wunderschöne Brosche, die auf ihrem Kleid ruht. Dann öffnet sie langsam das Elixierfläschchen...
Laxinea
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Beitrag von Laxinea »

noch im Winter des Jahres 642

Sie nimmt nicht wahr was die anderen um sie herum machen. Doch sie spürt die konzentrierte Magie und versucht Tropfen um Tropfen auf die Lippen des Yarl zu träufeln. Dabei hält sie das Herzamulett, das sie ihm einst zum Schutz geschenkt hat, an seinem Körper. Er fühlt sich so kalt und tot an. So als wäre schon alles vorbei und zu spät. Wirklich schon zu spät?
Dann sieht sie nach einer unendlich langen Zeit - oder waren es nur Sekunden? - Blut und ... all das Übel aus seiner Brust hervorquellen, dessen entsetzlichen Geruch sie schon die ganze Zeit wahrgenommen hat. Gemurmel um sie her, aber sie hält weiter das Amulett auf seiner Haut, träufelt insgesamt sieben geweihte Tropfen auf seine Lippen. Langsam rinnen sie in seinen Mund, durchfluten seinen abgezehrten Körper, tasten nach den letzten Resten seines Geistes. Sie versucht ruhig zu bleiben. Was auch immer um sie herum geschieht. Sie muss ruhig bleiben um die Wirkung des Elixiers nicht zu mindern. Allmählich spürt sie eine Erschöpfung in sich dringen. Es dauert so lang. Er kämpft. Alle im Raum kämpfen und harren gebannt auf das was kommen mag.

Mit einem Mal sieht sie das Unfassbare. Die Tropfen des Elixiers zeigen ihre Wirkung viel schneller als sie je für möglich gehalten hätte. Dank der Kraft der Heiler und der Taten der Magier ist dies möglich.
"Seht! Das schwarze Fleisch verwandelt sich zurück. Es wird wieder menschlich" Ein mattes Lächeln verzaubert ihr Gesicht. "Das ist die Macht der Essenz.“

Ihre linke Hand lässt das Amulett los. Mit zittrigen Fingern verschliesst sie die kleine Trankflasche mit dem Elixier. Vielleicht werden die restlichen Tropfen noch benötigt. Doch im Augenblick kann sie nichts mehr tun. Wie gebannt beobachtet sie ihn. Die Veränderung die sich in ihm und um ihn herum vollzieht. Kaum nimmt sie wahr wie einige den Raum verlassen, sieht nur diese klaren blauen Augen. Leben und neue Kraft steht in ihnen geschrieben. Ja, der Yarl Athaulf ist ein Kämpfer, voller Dynamik - sonst hätte er dies alles nie überlebt. Mit einem Lächeln blickt sie ihn an und spürt mit einem Mal wie er ihr einen Kuss auf die Hand haucht. Noch erschöpft und etwas verwirrt wegen der schnellen und gelungenen Rettung ist sie nicht fähig zu sprechen. Sie hört seine freundlichen Worte und ist beglückt dass alles so gut verlaufen ist. Als er dann aber doch nach all den Strapazen einschläft, erlaubt ihr einer der Heiler bei ihm zu bleiben.

"Nicht jetzt" flüstert sie "Ich muss in meine Gemächer und ausruhen. Sonst werdet Ihr hier bald zwei zu pflegen haben." Ein schwaches und entschuldigendes Lächeln huscht über ihr Gesicht. Mit langsamen Bewegungen geht sie zur Tür. Dann dreht sie sich noch einmal um und blickt auf den schlafenden Mann auf dem Diwan. Sie kann sich nun vorstellen wie stolz und mächtig er einst ausgesehen haben mag. Wie seine Verwandlung alle in Verzweiflung gestürzt haben muss.
"Ich will gerne noch eine Woche bleiben und Euch helfen wenn ich es kann. Aber dann ruft mich die Heimat. Mein Volk ist noch sehr jung und braucht seine Herrscherin."

Zurück in ihren Gemächern wird sie schon von ihrer Zofe erwartet. Diese bemerkt sofort den matten Zustand ihrer Herrin und hilft ihr rasch das Gewand abzulegen. Sie führt die wankende Gestalt zum Bett und hält ihr die Hand bis sie eingeschlafen ist. Dann spendet die Zofe der jungen Herrin ein wenig ihrer eigenen Kraft. Geduldig harrt sie aus am Bett. Dabei wandern ihre Gedanken zu dem Yarl. Es scheint so als ob alles gut verlaufen ist. Zumindest kamen keine Soldaten mit um sie und ihre Herrin abzuführen. Aber wie wird es weitergehen? Der Winter hat seinen Einzug gehalten und der Weg nach Hause ist noch weit. Wie lange wollen sie hier in Korsan ausharren? Wie lange will sie in Korsan ausharren?
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Tamar, im Frühling des Jahres 643

Die Heimreise dauert lang. Sie hat viel Zeit nachzudenken. Zu viel. Das ist sie nicht gewohnt. Sie erinnert sich. So manche traurige aber auch manche schöne Erinnerung.

Als sie das erste Mal aus dem Fenster ihres Gemaches sah - da erkannte sie die Schönheit Korsans. Der Schrecken hatte sie nicht vollständig vernichten können. Kräftige Wälder erstreckten sich in winterlichen Farben vor ihren Augen. Das Meer, das sie fast so sehr liebt wie die Erinnerung an ihre alte Heimat, gab ihr mehr Kraft und neue Stärke als die weitläufigen Hügelketten. Dennoch war es ein herrlicher Ausblick. Aber er wurde getrübt durch die Nachricht ihrer Zofe. Sie hatte erfahren dass Lady Corinne bald eintreffen wolle um ihre Tochter Lady Zaira abzuholen.
"Lady Zaira?" Langsam hatte sie sich umgedreht, weg von dem erhabenen Ausblick. "Sie ist hier? Ich wusste es nicht"
Wie hätte sie auch. War sie doch immer nur am Wandeln zwischen dem Zimmer des Yarl und ihrem eigenen. Sie nahm das Essen allein oder mit ihrer Zofe zusammen ein um Ruhe zu finden. Es waren anstrengende Tage. Er war ausgezehrt und brauchte noch eine Weile um zu alter Kraft zu finden.

Doch wenn sie in seine blauen Augen sah... Nie zuvor hatte sie ein solch klares schönes Blau gesehen. Erinnerte es sie nicht an den See in Deposito? Sah sie in seine Augen, dann fühlte sie sich geborgen ... aber da war auch etwas anderes... Heimweh. Da wusste sie es, sie würde ihn verlassen und zu ihrem Volk zurückkehren. Das Amulett der Hoffnung und das Elixier der Heilung hatten ihre Wirkung gezeigt. Nun musste sie heimkehren, weit weit fort von ihm.



Deposito, Ende Frühling des Jahres 643


Das Dorffest ist vorüber. Es hat viel Spass gebracht und allen wieder neue Hoffnung und neuen Mut gemacht. Voller Zuversicht geht es voran mit der kleinen Gemeinde. Ein jeder ist stolz Teil dieser Gemeinde zu sein. Mit Bewunderung sehen sie auf zu Lady Laxinea. Die Barden singen an den Abenden von ihrer Schönheit und vergessen nicht ihre Jungfräulichkeit hochzupreisen. Manch einer besingt sie als die reiselustige Herrscherin, die mit wenigen Bauern durch die Lande zog um einen fernen Herrscher zu heilen.
"So ein Unfug" lächelnd schüttelt sie darüber den Kopf "Ich bin keine Heilerin. Ich kenne nur einige heilende Wirkungen und vermag sie recht gut einzusetzen"

Doch schon seit langem werden die Gesänge über den mächtigen Reiter Yarl Athaulf und die zauberhafte Elfe Zaira gepflegt. Immer mehr werden sie ausgeschmückt in schillernsten Farben. Zu vorgerückter Stunde nach reichlichem Genuss von Met und Wein entstehen romantische Fabeln um die beiden. Besonders gern schmücken die Barden die Szene aus als er sich schützend vor sie wirft und sein Leben für sie hingeben will. So manch Frauenherz schlägt da schneller. Viele Seufzer erklingen und Wünsche solch einen Mann an der eigenen Seite zu haben.
Sie hat diese Gesänge auch gehört. Früher hat sie selbst seufzend gelauscht auf solch eine tiefgreifende Liebe. Aber seit sie dem Yarl in die Augen gesehen hat bleibt in ihrem Mund ein schaler Geschmack, wenn sie die Lieder hört.

"Wie eine Tochter" flüstert sie und blickt ihre Zofe ein wenig traurig an. "Wenn die Lady für ihn wie eine Tochter ist, dann bin ich für ihn wie eine Urenkelin. Sind doch ihre Kinder schon älter als ich."
Die alte Frau streichelt der jüngern über das golden glänzende Haar. "Wartet einfach ab, Herrin. Vielleicht sagt er dies nur zum Schutz. Ihr wisst wie ein jeder, dass die Lady verheiratet ist. Niemand gibt öffentlich zu eine Ehefrau als Geliebte zu haben."
Die Worte heitern sie keineswegs auf. Im Gegenteil wird sie noch betrübter.
"Verzeiht, ich bin kein Diplomat. Ich versuche Euch nur vor noch grösserem Schmerz zu bewahren. Denkt nicht mehr an ihn. Euer Volk braucht euch, my Lady. Wenn er tatsächlich nichts für die verheiratete Lady empfindet aber ihm wirklich etwas an Euch liegt, wird es die Zeit schon zeigen"

Sie wendet sich ab und streicht über die silberne Brosche. "Tri is ma san sira di la" spricht sie leise vor sich hin und verleiht ihren Worten mit einem zaghaften Lächeln Nachdruck. "Vielleicht habt Ihr Recht, edle Handelsherrin. Ich werde nicht mehr an ihn denken und einfach nur glücklich sein. Die Götter allein kennen den Weg der vor mir und Deposito liegt"

E N D E
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