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Chronik der Lady Ssringa von Shangarr

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ssringa
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Nachricht des Todes im Frühjahr 346

Beitrag von ssringa »

Winter 345


Oh Ihr Götter - warum?
Habet Ihr nicht verheißen, dass meine allerliebste Lady ein Mensch werde?
Habet Ihr nicht verheißen, dass sie ihrem Gemahle ein Kind schenken werde?
Oh Ihr Götter - warum?


Kaum merkte einer dass der Zeitpunkt der Niederkunft gekommen. Denn meine geliebte Frouwe verspürte keine Schmerzen, sang noch als bereits das kleine Mädelein aus dem Leibe drängte.
Wie versprochen hielt Godefroy de Monmyraj seine innig geliebte Gemahlin im Arme - da begann das unendliche und entsetzliche Leid.

Ich stand im Hintergrund der Kammer und fühlte die Pein, sah die Dunkelheit in die kristallblauen Augen dringen. Die lieblichen Klänge verstummten. Eine schreckliche, grausame Stille erfüllte die Geburtskammer, als meine reine und zarte Prophetin von jedem ihrer Götter verlassen wurde.


Doch dann geschah etwas unglaubliches - ich kann es kaum in Worte fassen.
In der dunklen Nacht der Augen tauchte ein leichtes Strahlen auf. Ssringa de Monmyraj blickte ein letztes Male ihren geliebten Gemahl an. Es war, als ob ein Funke von ihr zum ihm hinüberspränge. Dann war es vorbei und mit einem sanften Lächeln sank ihr Kopf zurück auf die Kissen, bevor sich die herrlichsten Augen von ganz Tamar für immer verschlossen.

Oh Ihr Götter! Ihr habet gewusst, dass meine liebste Lady die Trennung gar nicht vollziehen konnte. Keine Liebe auf Tamar ist so stark, dass sie einem von Göttern durchtränkten Wesen genug Kraft geben könnte!
Oh Ihr Götter! Ihr habet nicht nur mich betrogen, den Schützer der Prophetin seit ihrer Geburt, Ihr habet auch Godefroy de Monmyraj betrogen, den Schützer der Lady seit sie auf Tamar.


Wenn sie doch nur nicht so lächelnd dahingeschieden wäre...
Doch scheinet es so, als hätte sie jetzt ihre wahre Heimat erreicht. Zusammen mit dem ungeborenen Mädelein, das neun lange Monate durch meine geliebte Lady ebenfalls mit den Göttern verbunden war und niemals Tamar erblicken sollte.
Dahingeschieden zusammen mit seiner Mutter in einer grenzenlosen Stille...


Oh Ihr Götter – warum?


In tiefer Trauer um den Verlust meiner vielgeliebten Lady, die sogar im Tode noch ihre strahlende Schönheit bewahrte, werde ich dem Rufe meiner Seele folgen und einen Heimweg suchen in mein Reiche der Morgendämmerung. Vielleicht gewährt Ihr mir die Heimkehr, nachdem Ihr Eure Prophetin heimgeholt habet und mich nichts mehr auf Tamar halten kann.


Ich flehe Euch an, Ihr Götter, zeiget Erbarmen mit dem treuesten Diener Eurer letzten Prophetin!


Volk von Shangarr, diese Chronik ist beendet. Denn es gibt keine Führung mehr für dich. Mögen die Herren Rudi und Godefroy darüber einig werden, wem die baldigen Ruinen der Stadt Shangarr, dem einstigen Doriath, in Zukunft gehören sollen. Vielleicht, Volk von Shangarr, findest du dein Glück woanders.


Möge Godefroy de Monmyraj diese Seiten als ein Zeugnis aufbewahren für eine der liebreizendsten Herrscherinnen, die Tamar je gesehen hat. Für seine Gattin, die ihn über alles geliebt hat - sogar mehr als ihre Götter.


Gawarr von Troy
Der so wie seine Lady den Heimweg antritt, entweder ins himmlische Reich oder ins Reich der Morgendämmerung...
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ssringa
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Irgendwo auf Tamar im späten Herbst 357 nach Abanor

Beitrag von ssringa »

Was wirklich geschah im Winter 345...

Ein Blick aus kristallblauen Augen
die zuvor noch dunkel wie die Nacht
in die der Tod schon Leid gebracht
den letzten Lebensfunken zu saugen.

Ein inniger Blick voll Strahlen und Liebe
der letzte Gruß an ihren Gemahl
bevor endgültig endet ihre Qual
ein Gruß... das ihm das Mädelein bliebe.

Kristallblaue Augen und goldene Haare
prophetische Bestimmung, übernatürliche Gabe
dies war ihre einzige wirkliche Habe
auf Tamar in Shangarr all die Jahre.

Sie kehrte zu ihren Göttern zurück
lebt dort nun in reinem Frieden
kennt keine Sorge und niedere Trieben
erlebt jede Zeit wie herrlichstes Glück.




Godefroy de Monmyraj fiel sichtlich in sich zusammen, als seine reizende Gemahlin den letzten Atemzug machte. Bleich wie der Tod, mit vielerlei Tränen und in tiefstem Schock warf er sich über den Körper seiner toten Liebsten. Er musste mit sanfter Gewalt aus der Kammer entfernt werden.

Als ich allein im Raume war, merkte ich voller Schrecken und Sorge, dass sich im Leib meiner überaus geliebten Lady etwas regte. Der hoch gewölbte Bauch barg Leben in sich, das Mädelein war nicht tot! Zitternd näherte ich mich dem Bette und fühlte eine unendliche Hilflosigkeit, wusste nicht, was ich tun soll. Da überkam mich eine Vision. Meine erste und einzige Vision. Die Götter meiner soeben verstorbenen innig geliebten Herrin sprachen zu mir!

Sie warnten mich vor dem Orden der heiligen Guridh. Ich solle das Mädelein heimlich fortbringen aus dem Bereich der Ordensleute. Denn einige von ihnen hegten tiefen Groll gegen meine allerliebste Frouwe, vielleicht sogar Hass und nannten sie Hexe! Es könnte sein, dass sie das unschuldige Neugeborene töten würden aus Angst und Furcht, das kleine Wesen könne die prophetische Gabe der Mutter übernommen haben und mit seinen Visionen all die Fehler im Orden aufdecken.
Aufgewühlt war mein Geist und konnte nicht begreifen, was mir da offenbart wurde. Es war ein unermesslich beglückendes Gefühl, als die acht Götter zu mir sprachen, ein Gefühl von höchstem Glück, tiefster Liebe, unglaublicher Harmonie. Die warnenden Worte wollten nicht passen zu den herrlichen Gefühlen, die ich verspüren durfte für einen viel zu kurzen Moment meines Lebens. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet die Wesen, die meine Herrin überaus geliebt und zu ihrer Hochzeit geladen hatte, dass ausgerechnet diese sie als Hexe hatten töten wollen!

Ich eilte mich, die Kleine aus dem Leibe zu befreien, sie zu säubern und rasch zu einem Weibe zu bringen, das sich um das Neugeborene kümmern konnte. Einzig eines bereitete mir Sorge. Der Vater, der Witwer Godefroy de Monmyraj, stand unter so tiefem Schock, dass er nicht ansprechbar war. Seine Diener schafften ihn unter heilkundiger Aufsicht zurück in sein eigenes Schloss, weil ein jeder meinte, die Nähe zu Shangarr würde verhindern, dass der gebrochene Witwer aus dem Schockzustand erwache.

Es war entsetzlich für mich, denn offensichtlich hatte Godefroy de Monmyraj nicht begriffen, dass meine überaus geliebte Lady Ssringa zwar tot, doch seine Tochter am Leben war und ihn brauchte. So blieb mir nichts anderes übrig als dem Ratschluss der Götter zu folgen. Ich ließ die allseits verehrte Prophetin Ssringa de Monmyraj während einer kleinen Zeremonie verbrennen, auf dass niemand je nach der Tochter suchen würde. Denn jeder glaubte, sie wäre mit der Dahingeschiedenen verstorben und verbrannt worden. Auch ein jeder des Ordens glaubte dies. So konnte ich unbehelligt meine Pflicht erfüllen.

So gut es ging verteilte ich noch die Güter, doch die Plünderungen nahmen schnell überhand. Das einfache Volk fürchtete, dass die Nachbarn aus dem Orden ihnen Schaden zufügen konnten, da diese ihren Zorn nicht an der allseits geliebten und vom Orden gebrandmarkten Prophetin vollziehen konnten.
Nicht alles Gold, nicht alle Vorräte konnten mehr gesichert werden. Doch muss ich gestehen, ich gönnte es den Leuten von Herzen und hoffte für sie, dass sie bei dem überaus ehrenwerten Nachbarn Rudi gut unterkommen würden.
Wenigstens gelang es mir noch vielerlei Briefe einem Dienstboten in die Hand zu drücken mit dem Auftrage, sie so rasch wie möglich einem Freund des Hauses Shangarr zu übersenden. Auf dass zumindest die vielerlei Schreiben, die meine innig geliebte Lady erhalten hatte in der kurzen Zeit auf Tamar, nicht verloren wären. Mögen sie vielleicht so manches Geheimnis aufdecken...


Dies ist es. Wie es sich zutrug im Winter 345 nach Abanor. Denn jetzt ist die kleine Tochter meiner zutiefst verehrten Ssringa und ihrem Gemahl zur kleinen Frau herangereift. Körperlich erwachsen, im Geiste schon seit langem. Bald wird sie auch an Jahren alt genug sein, um ein Reich zu führen, wie es einer so edel geborenen Lady zusteht.


Gawarr von Troy
treuester Diener der Prophetin Ssringa und nun ihrer liebreizenden Tochter
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Irgendwo auf Tamar im späten Frühling 358 nach Abanor

Beitrag von ssringa »

Was dann noch weiters geschah...

Als das Eis endlich brach, machte ich mich mit der winzigen kleinen kostbaren Fracht auf den Weg. Zudem nahm ich die Schwalbe Dolin des Wulfgar von Wolfsheim mit. Wohl wissend, dass ich sie eines Tages brauchen könnte. Im Winter 346 nach Abanor war es dann endlich so weit. Dolin kam zum Einsatz und flog zu ihrem Ziel, das ich ihr nannte in der tiefen Hoffnung meine Götter mögen die Schwalbe richtig lenken. Es gelang, Dolin erreichte ihr Ziel, so konnte ich mit der kleinen Maid, die ich unter meiner Kleidung eng an meinem Körper trug, auf dass sie die winterliche Kälte nicht spüre, die letzten Meilen zurücklegen bis zur nächsten Heimstatt.

Der Vater Godefroy de Monmyraj konnte immer noch nicht benachrichtigt werden. Nicht nur hatte er meine Götter verflucht, er lebte auch noch zurückgezogen in tiefer Trauer und war nicht ansprechbar. Doch sein Vertreter und vertrauter Knappe Winkelrid erhielt Nachricht, dass eine überaus wichtige, dringliche und unermeßlich kostbare Mitteilung für seinen Herren wartete. Doch erst im Jahre 349 nach Abanor war es möglich, den Vater der zauberhaften Kleinen persönlich zu erreichen. Eine entsetzlich lange Zeit im Leben eines kleinen wunderschönen Kindes...
Fast vier Jahre verschwendet, da der Vater nicht erreichbar sein wollte und sich im Kummer um den Tod seines Weibes vergrub. Noch immer auf die Götter fluchend verschloss der Herr von Monmyraj die Augen vor der Wirklichkeit, dass ihm seine verstorbene Gemahlin doch übermittelt hatte, seine Tochter lebe und brauche ihn - den Vater!

Doch bis heute hat die kleine Schönheit nicht ihren Vater gesehen, nie von ihm gehört, auch kein Schriftstück erhalten. Nicht einmal ihren Namen erhielt sie von ihm. Nur eines erinnert sie daran, wer ihre Eltern sind: eine kleine goldene Nadel, die Godefroy de Monmyraj bei der Hochzeit im Winter 341 nach Abanor seiner Liebsten Ssringa ansteckte.

Die kristallblauen Augen des Kindes zeigen nur noch selten das unschuldsvolle Strahlen, das einst ihre Mutter wie mit einem magischen Zauber umhüllt hatte und die Herzen aller Herren höher schlagen ließ. Leider auch die Herzen aller Neider in tiefste Abgründe sinken ließ...
Die schwarzen langen Haare des reinen Kindes schimmern seidig und umspielen wie ein Trauerflor das ebenmäßige, oft betrübt wirkende Gesicht der Kleinen, die für ihr zartes Alter von nur zwölf Wintern schon viel zu reif wirkt.


Wie alt muss sie werden, ehe der Vater seinen Groll beseitigt und sich entschliesst, sein einziges zauberhaftes und wunderschönes Töchterlein anzusehen, anzusprechen? Ob sie sich noch in die Arme nehmen lässt, dies können wohl nur die Götter wissen, die er bis heute verflucht...


Gawarr von Troy
treuester Diener der Prophetin Ssringa und nun ihrer liebreizenden Tochter
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