An meinen geliebten Leser,
ich verabschiede mich nun mit einer Geschichte aus der Feder der Zauberin Sebya der Guten, welche gefangen ward von finsteren Mächten und ihre Freiheit am unwahrscheinlichsten aller Orte fand: an der Spitze einer Feder, am Grunde des Tintenfasses...
Die Zauberin
Ich saß an jenem verfluchten Tage gerade zu essen und sah auf die endlose, gelbe Grassteppe vor meines Turmes Türen und betrachtete die sich verborgen glaubenden Schlangen, welche sich, so böse gar, dass ihnen die Götter ihre Beine entrissen, Gift und Galle spritzend durch den Staub wanden. Etwas war anders, dieses Jahr, so glaubte ich zu spüren, denn die Sonne schien zwar hell am Firmament, aber so hell ihr Licht auch war, so wenig vertrieb es die Schatten in meinen Gedanken. Ich wusste, dass sie kommen würden. Den Krug erneut mit Wein füllend sann ich darüber nach, wie es sein würde, wenn sie da wären. Meine Feinde. Wie kommt eine Frau wie ich, die man Sebya, die Gute, heisst, zu Feinden, mag sich mein treuer Leser fragen. Nun, gut nannten mich die, denen ich gegen die Unterdrückung half und folglich war ich für die Tyrannen das Böse.
Ich war eine mächtige Zauberin, seiner Zeit, und all dies ist lange her. Ich war mächtig, gütig und weise. Ich schütze die Schwachen vor der Faust der Herrschenden und erhielt das Gleichgewicht mit all der Macht die mir mein ausgestorbener Orden auferlegt hatte.
Ich linderte die Not der Leidenden und schütze das Reich vor einfallenden Horden. Mein und aller Unglück, dass das Leid aus den eigenenen Reihen kommen musste.
Unten krachte etwas an meine Tür. Der Schutzzauber war lange stark gewesen doch wurde ich auch lange bereits belagert. Das Holz brach. Schritte, den Turm hinauf. Ein Schrei. Die erste Falle. Sie kamen näher, hunderte starben auf den Treppen in meine zahllosesten Fallen doch es waren zuviele. In meiner Hand hielt ein eine Phiole. Gift. Langsam vermischte sich der Inhalt mit meinem Wein. Sie würden mich nicht kriegen. Als die Tür zu meinem Gemach aufbrach liess ein Fingerwink von mir eine Flammenexplosion entstehen und verbrannte die ersten 20 Mann zu Asche. Dann setzte ich den Trunk an meinen Mund an.
„Du entkommst uns nicht." sprach Wandaron. Ich war plötzlich nicht mehr fähig mich zu rühren, konnte nicht schlucken, war gefangen. Aus den Augenwinkeln sah ich meinen Erzfeind aus der Wand treten. „Dein falsches Spiel, endet hier, Du Dienerin des Bösen!" sprach er mich an und schüttete dabei meinen Wein auf den Boden. „Du hast wohl gedacht, ein schneller Tod würde nicht das sein, was wir mit Dir vorhaben. Du dachtest wohl, wir würden mit Dir verfahren, wie Du es mit Deinen Feinden zu tun pflegst. Da irrst Du, Sebya. Für Dich haben wir uns etwas ganz besonderes ausgedacht." Sein Zauberbann lastete immernoch schwer auf mir und seine infamen Lügen brachten mich aus der Konzentration, die ich so dringend benötigte, um mich zu befreien. „Lügner!" war alles, was ich hervorpresse konnte. Ein düsteres Lachen war Wandarons antwort, dann begann er einen alten Fluch zu murmeln, so böse, dass mein Herz kurz aufhörte zu schlagen, als ich begriff, was er plante. Dieser Fluch war so ungeheuerlich, so unfassbar grausam, dass ich bezweifelt hatte, dass es ihn wirklich gab. Schon erschlafften meine Glieder.
Als das weiße Licht verschwunden war, lag ich auf dem Boden eines schwarzen Raumes. Absolute Ruhe herrschte. Ich wusste, wo ich war. Ich wusste, ich würde nie wieder entkommen. Und ich wusste, dass ich nicht sterben würde. Ich war im Hathaldhol - dem Ort der Ewigkeit. Dieser Raum würde mich nicht schlafen lassen. Dieser Raum würde mich nicht sterben lassen. Dieser Raum würde mich nicht vergessen lassen. Ich würde jede einzelne Sekunde bis in alle Ewigkeit mit dem absoluten Bewusstsein verbringen. Alleine. Sinnlos.
Wie nutzt ein Gefangener seine Zeit? Er plant den Ausbruch. Wovon träumt ein Gedemütigter? Von der Rache. Alles, was mir bleibt, ist meine Geschichte zu erzählen. Ich bin Sebya, die einstmals Gute.
Ende